In Karlsruhe entstand ein früher Künstlerverein schon Mitte der 1850er Jahre aus Studenten und Lehrenden der Großherzoglich Badischen Kunstschule Karlsruhe, die 1854 vom späteren Großherzog Friedrich I. von Baden gegründet worden war. Erster Direktor war der Düsseldorfer Landschaftsmaler Johann Wilhelm Schirmer. Die am Anfang regen Aktivitäten des Vereins schliefen wieder ein. Deswegen wurde 1874 der „Verein bildender Künstler zu Carlsruhe“ erneut gegründet.
Wieder traten Künstler und Architekten ein, ein Großteil der Professoren der Kunstschule und auch Studenten. Außerdem gab es „außerordentliche“, eher elitäre Mitglieder, die nicht „eine der bildenden Künste“ ausübten: Oberregierungsräte, Ingenieure, Bankiers, Fabrikanten, Kaufleute und eine Reihe angesehener Karlsruher Persönlichkeiten. Der größte Teil der Karlsruher Bevölkerung blieb wegen der hohen Aufnahmegebühr ausgeschlossen. Auch Frauennamen waren jahrzehntelang nicht zu finden.
Für die Mitglieder und Gäste wurde ein regelmäßiges Programm von Veranstaltungen an unterschiedlichen Orten organisiert: in der alten Festhalle oder in Gasthäusern wie dem „Café Museum“ oder dem „Krokodil“. Es gab Kostümbälle, Ausflüge, Theateraufführungen, Konzerte, Kinderbälle, Festspiele, Vorträge, Familien- und auch „Herrenabende“, es existierte sogar eine eigene Musik-Kapelle. Jährliche Dreikönigsbälle, Redoute-Feste zur Faschingszeit, eine „Bauernkerwe“.
Das Publikum bestand fast nur aus den wohlhabenden adligen und bürgerlichen Kreisen der großherzoglichen Residenz und die Veranstaltungen mussten hohen Erwartungen entsprechen. Motto-Veranstaltungen wie „Völkerwanderung nach den Deutschen Südseeinseln“, „Drei Tage im Morgenlande“, „Drei Tage in Monte Carlo“ wurden mit für diese Zeit auffallend hohem finanziellen Aufwand durchgeführt. „ […] Plakate und Einladungen mußten den hohen Erwartungen, die ein gehobenes Publikum an die krause und üppige Künstlerphantasie stellte, gerecht werden. Die Karlsruher Künstlerschaft um 1900 verstand es so, mit einem großen, zur Schau gestellten Selbstbewußtsein eine elitäre Rolle zu spielen.“ (Helmut Goettl, Mirko Heipek: Vorwort. Traumziel Künstlerhaus. In Ausst.kat.: „Um 1900. Das alte Karlsruher Künstlerhaus„, Karlsruhe, Künstlerhaus-Galerie 19.03. – 26.04.1987, S. 7.)
Das gesellschaftliche Anliegen des „Verein bildender Künstler zu Carlsruhe“ war ausschließlich das Organisieren von Veranstaltungen. Andere kulturpolitische Ziele verfolgte man nicht, keine berufsständischen oder soziale im Sinne der Künstler. Die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten wurden nicht für Ausstellungen der Arbeiten ihrer Künstler-Mitglieder genutzt.
Nach 35 Jahren hatte der Verein ein beträchtliches Vermögen angehäuft und kaufte 1909 das Palais Berckholtz*, das seinen Bedürfnissen entsprechend umgebaut wurde. Im Erdgeschoss wurde ein Rondellsaal eingerichtet, oben ein Künstlerzimmer, ein Vorstands- und ein Spielzimmer. 1912 wurde ein Saalbau in der Sophienstraße angebaut, dessen untere Räume an einen Restaurant-Betreiber verpachtet wurden.**
Jüdische Mitbürger waren ab den 30er Jahren zunehmend unerwünscht. Bis September 1935, als die Nürnberger Gesetze in Kraft traten, erklärten 24 Personen ihren Austritt. Drei von ihnen kamen durch den Holocaust ums Leben. In der Nacht vom 26. zum 27. September 1944 wurde das Künstlerhaus von Bomben schwer getroffen und brannte ab.
Im Februar 1949 eröffnete der Verein in den Räumen, die nicht zerstört waren, wieder ein Restaurant. Geplant war, einen Teil der Ruinen abzutragen und entlang der Karlstraße ein Hotel mit 70 Betten zu bauen. Die Stadt bot den Tausch des Grundstücks am Karlstor mit einem anderen am Nordrand des Stadtparks an. Der Verein wollte auf die Innenstadtlage nicht verzichten und lehnte ab. Das Richtfest des neuen Gebäudes fand im September 1955 statt. Allerdings war das Projekt im Frühjahr 1956 schnell zuende: überzogene Kosten, ein annullierter Pachtvertrag, andere erhebliche finanzielle Schwierigkeiten und andere Unstimmigkeiten – der Verein stand vor dem Konkurs, der nur noch durch die Übernahme des Objekts durch die Stadt Karlsruhe abzuwenden war. Die lehnte ab und so ging das gesamte Anwesen in die Zwangsversteigerung.
Man geht „wohl nicht fehl in der Annahme, dass die Stadtverwaltung dann mit von der Partie sein wird. Sie wird dann, wenn nicht alles täuscht, erheblich billiger bekommen, was man ihr vorher zum Normalpreis angeboten hatte. Der Preis für diesen finanziellen Gewinn der Stadt ist freilich sehr hoch und in Zahlen nicht auszudrücken: es ist die Auflösung einer Vereinigung, die einmal das kulturelle Leben der Stadt entscheidend mitgetragen hat.“ (BNN vom 30. 6. 1956) Der Verein bildender Künstler selbst bestand weiter, seine Sitzungen fanden im Badischen Kunstverein statt.
* Gabriel Leonhard von Berckholtz war ein baltischer Geschäftsmann, der mit seiner Familie 1825 ins Ausland auswanderte und sich nach Jahren des Reisens 1833 in Karlsruhe niederließ. Dort kaufte er ein 1825–27 von Friedrich Arnold erbautes Anwesen in der Karlstraße 26, ein weiteres danebengelegenes in der Sophienstraße 2 sowie ein Grundstück zwischen Sophien- und Kriegsstraße, das – ab 1850 als Park gestaltet – bald zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt zählte. Berckholtz’ jüngste Tochter Alexandra (1821–1899) war Porträt- und Stillebenmalerin. Das Palais wurde Mittelpunkt eines Salons, in dem Künstler, Literaten, Wissenschaftler, Sänger, Schauspieler und sogar die badische Großherzogin Sophie ein- und ausgingen. Alexandra porträtierte zahlreiche dieser Gäste, darunter die Prinzessin Alexandrine von Baden.
**Um das Geschehen zu veranschaulichen, hier ein Zitat aus dem 1925 erschienenen Roman „Die versunkene Stadt“ von Albert Geiger, in dem ein ganzes Kapitel dem Künstlerhaus in Karlsruhe gewidmet war:
„Es wurde in den Restaurationsräumen wacker geschlemmt. Ein Zimmer, das von seinen architektonischen Verzierungen den Titel: das Schafskopf-Zimmer trug, war für die Offiziere reserviert. Daneben sah man in den anderen Zimmern, als die vom Wirt begehrtesten Gäste, reiche Rentiers, Kaufleute und Fabrikanten, meistens von auswärts mit dem Automobil gekommen. Dann jüngere Juristen und Mediziner, Richter, wohlangesehene Ärzte, Professoren der Hochschle, auch höchste Beamte – dazwischen Korpsstudenten mit gutem Wechsel – junge Ausländer, die in den größeren Kaufmannsgeschäften der Stadt tätig waren. – Im Buffetzimmer saßen die Künstler, die hier am bequemsten auf einer Seitentreppe von den Künstlervereinsräumen herabkommen konnten. Ein reicher Damenflor zierte die mit venezianischen Lüstres glänzend beleuchteten Räume. Wenn abends die Zigeunermusik fiedelte, Geplauder, Gelächter die kleinen Zimmer mit einer einzigen Woge von lebhafter Unterhaltung erfüllte, der Duft guter Speisen und feiner Zigarren die Luft würzte, die Sektpfropfen knallten: so konnt man in der Tat mit stolzgeschwelltem Herzen meinen: Dingsdahausen [Karlsruhe, Anm. d. V.] habe da ein Restaurant, um das es jede Großstadt beneiden dürfe. […] Die ältere Künstlergeneration hielt sich dem Treiben in den Restaurationsräumen fern. Ihrem Ideal von künstlerischem Zusammenleben mochte dieser Mischmasch wenig behagen. Ein Teil der jüngeren Künstler dagegen schwamm teils auf eigene Kosten, teils als blinde Passagiere in den Vergnügungsbooten zahlender Gäste fröhlich durch den laulichten Strudel dieses Nachtlebens. Nicht eben zu ihrem Vorteil.“